Preisbegründung
Fritz Pleitgen
Vorsitzender des Lew Kopelew Forum
 

Sehr geehrte Frau Bundesrätin,
verehrte Frau Außenministerin Micheline Calmy-Rey,
verehrter, lieber Herr Professor Küng,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

mir fällt die Ehre und das Vergnügen zu, Ihnen – verehrte Gäste – offiziell zu bestätigen, dass das Lew Kopelew-Forum in diesem Jahr den Lew Kopelew Preis für Frieden und Menschenrechte an Professor Hans Küng aus Tübingen verleiht. Mit dieser Auszeichnung soll der jahrzehntelange Einsatz des Philosophen, Theologen und Religionswissenschaftlers anerkannt werden, eine allgemein gültige Grundlage für ein gedeihliches Miteinander der verschiedenen Religionen zu schaffen. Wir ehren damit, dass sich Prof. Küng wie Lew Kopelew engagiert für den Frieden und die Achtung der Menschenrechte einsetzt.
Mit dem Preisträger des Jahres 2006 zeichnen wir einen Mann aus, dessen Wesen und Wirken bei Lew Kopelew höchste Wertschätzung und Sympathie genoss. Beide standen seit 1980 in Kontakt. Lew Kopelew steckte zu Beginn ihrer Bekanntschaft in seinem Wuppertaler Projekt „West-östliche Spiegelungen – Erforschung der Fremdenbilder in den Beziehungen zwischen Deutschen und Russen“. Hans Küng arbeitete an seinem großen Werk über die Weltreligionen und das Weltethos.
Gleichgesinnt, wie sie waren, unterstützten sie sich mit publizistischen Arbeiten. So lieferte Hans Küng einen Artikel über „Abrahamische Ökumene zwischen Juden, Christen und Muslime“ für Kopelews Sammelband „Forum XXI. Mit Fremden leben? Erkenntnisse, Träume, Hoffnungen zum 21. Jahrhundert“. Dafür revanchierte sich Lew Kopelew mit einem Beitrag für Hans Küngs „Erklärung zum Weltethos“.
Was Lew Kopelew an Hans Küng besonders schätzte, war seine Bereitschaft, sich bei aller Friedfertigkeit auch mit der höchsten Obrigkeit anzulegen, wenn es um seine Vorstellungen von einem offenen und toleranten Miteinander ging, auch wenn das schmerzliche Folgen haben konnte. Hier haben beide ihre Erfahrungen gemacht, wenn auch von unterschiedlicher Qualität und Intensität.
In diesen Tagen hat der Türkei-Besuch von Benedikt XVI. großes Aufsehen erregt. Als Weltereignis wurde die Reise des Papstes wahrgenommen. Mit einigem Bangen hat er sie vermutlich nach den heftigen Reaktionen aus der Islamischen Welt auf seine Regensburger Rede angetreten. Zufrieden konnte er zurückkehren. Diesmal sagte und machte er alles richtig. Er wurde auch richtig verstanden. Als Weiser im Morgenland wird Benedikt XVI. nun in unserer Presse beschrieben, als ein Papst für die Muslime. Ob er das selbst für möglich gehalten hat, als er noch Kardinal Ratzinger war? Nun wandelt er – welche Delikatesse – auf den Spuren von Hans Küng, der ihm in dieser Hinsicht ein weites Stück vorangegangen ist. Aber es hat sich für den Papst gelohnt. Benedikt XVI. könnte zum Vermittler zwischen Islam und westlicher Moderne werden, ist in einer sehr angesehenen Zeitung zu lesen. Vielleicht animiert das den Papst, Hans Küng auch in den anderen Fragen zu folgen.
Gebetet hat der Papst in der Blauen Moschee mit Blick gen Mekka, Seite an Seite mit dem Mufti. Hans Küng wird das sicher sehr gefreut haben, denn diese Haltung seiner Kirche hatte er sich schon seit Jahrzehnten gewünscht. „Wir brauchen endlich Frieden zwischen den Religionen. In allen Kirchen, Synagogen und Moscheen sollte für den Frieden nicht nur gebetet, sondern auch geworben werden“, hatte er schon vor Jahren gefordert.
Wir verleihen den Lew-Kopelew-Preis 2006. Der Kurswert eines solchen Preises bemisst sich an der Persönlichkeit, auf die er sich beruft und an derjenigen, die ihn erhält.
Da wir uns in einem hoch geschätzten Geldinstitut befinden, gestatten Sie mir einen etwas gewagten Vergleich. Würde der Lew-Kopelew-Preis an der Börse notiert, stünde er solide da. Aber heute gäbe es einen starken Ausschlag des Barometers. Ich weiß nicht, ob es zu Panikkäufen käme, aber mit Ihnen, lieber Herr Küng, gelang der Jury – ich sage es mal salopp – eine tolle Akquisition.
Sie führt mit ihrer Entscheidung die Namen zweier Persönlichkeiten zusammen, die sich gut in die Augen sehen konnten und sich viel zu sagen hatten. Da berühren sich zwei große Kulturkreise, ein russischer Schriftsteller und ein Schweizer Denker, beide vielfach erprobt in allen Jahreszeiten. Da war mancher Sturm und Hagelschlag, manch Bodennebel und manche überfrorene Nässe.
Auch die Geschichte kennt Inversions-Wetterlagen, in denen das Atmen schwer ist und sich der dogmatische Smog gefährlich verdichtet. Da braucht es Leute, die sich auf „Heilige Schriften“ ihren eigenen Reim machen. Da braucht es Grenzgänger und Spannungsprüfer, Querköpfe und Widersacher. Und es braucht Feuerköpfe, die noch im hohen Alter mit der Ungeduld eines Teenagers Projekte auflegen, deren volle Entfaltung sie vielleicht nicht mehr selbst erleben werden.
Das „Projekt Kopelew“ hat eine neue Generation aufgegriffen. Für das „Projekt Küng“ ist er selbst noch rastlos tätig. Der russische Schriftsteller und Dissident hinterließ seine Vision von Freiheit und Menschenwürde. Der Schweizer Theologe spannt mit dem gleichen Ziel ein Netz von Ideen und Kräften um den Globus, das sich täglich dichter knüpft.
Beide wussten und wissen: Wer die Welt zum Guten hin verändern will, muss keinen Moment warten. Er kann überall und jederzeit beginnen. Und beide hatten und haben ein unerschütterliches Vertrauen in den Sinn der Schöpfung und die Lernfähigkeit des Menschen, die so nur ein liebender Gott ausdenken konnte.
Natürlich kann man die „Fackel der Wahrheit nicht durch ein Gedränge tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen“. Das hatte schon der bucklige Lichtenberg am Fenster seiner Stube beobachtet und in sein Sudelbuch geschrieben. Wem die ganze Welt zu klein ist, der stößt schon mal auf das böse Misstrauen der geistigen Schrebergärtner.
Wie ich feststelle, begebe ich mich mehr und mehr auf das Feld der Laudatio. Wir schätzen uns überaus glücklich, dass wir dafür die Bundesrätin und Schweizer Außenministerin gewonnen haben. Das war der dringende Wunsch unseres Preisträgers. Madame Micheline Calmy-Rey, herzlichen Dank, dass Sie nach Köln gekommen sind. Wir freuen uns sehr auf Ihre Rede.

 

Ihnen, verehrtes Publikum, mein Dank, dass Sie mir zugehört haben.

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