Heinrich Böll

   Heinrich Böll am 26. Mai 1985                                          © Karl-Heinz Korn


Heinrich Böll (21. Dezember 1917 in Köln – 16. Juli 1985 in Kreuzau-Langenbroich), einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit; 1972 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Von 1970 bis 1972 war er Präsident des PEN-Clubs Deutschlands, von 1971 bis 1974 – Präsident des internationalen PEN-Clubs.


Heinrich und Annemarie Böll mit Lew Kopelew im Juli 1984                                                 © Irene Kawohl


Raissa Orlowa und Lew Kopelew über Heinrich Böll

Im September 1962 kam Böll zum ersten Mal nach Moskau. Von unseren ersten Begegnungen an wurde er unser Freund. Wir schrieben ihm nach Köln über alles, was uns bewegte und bedrückte. Er antwortete verständnis- und teilnahmsvoll. Begegnungen mit ihm – einmal in der DDR und mehrmals wieder in Moskau – waren stets Fortsetzungen eines unaufhörlichen vertraulichen Gesprächs.

( … )

1963 hat Heinrich Böll uns eingeladen, ihn in Köln zu besuchen. Es war die erste der Einladungen, die er in den nachfolgenden 17 Jahren immer wieder an den Schriftstellerverband oder das Kulturministerium [der Sowjetunion] richtete. ( … ) 1965 – 1966 berichteten wir Böll in vertraulichen Briefen (die ihn auf Umwegen erreichten) über die Ereignisse, die von einer neuen politischen „Vereisung“ zeugten. ( … ) Am 21. August 1968 waren Heinrich, Annemarie und René in Prag. Er schrieb uns ausführlich, was er dort beobachtet, erlebt und empfunden hatte. Den Brief hat L. übersetzt, und wir lasen ihn den nächsten Freunden vor. In diesen schicksalsschweren Wochen erkannten wir besonders deutlich, wie tief, wie untrennbar wir mit ihm verbunden sind.

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Uns hatte alles, was in unserem Lande geschah, immer so mitgenommen, so besorgt und bekümmert, dass wir eigentlich kein richtiges Verständnis dafür hatten, was er und seine Familie in der siebziger Jahren erleben und erleiden mussten. Damals wütete die Hetze gegen ihn, den „Wegbereiter des Terrorismus“; unermüdliche Rufmörder im Rundfunk, Fernsehen, in der Regenbogenpresse, auch manche Geistliche und Politiker beschimpften und verdammten ihn. Polizei durchsuchte die Wohnungen seiner Söhne, Tag für Tag erhielt er Droh- und Schmähbriefe…

( … )

Als die Bölls 1970 nach Moskau kamen, waren einige radikale Dissidenten sehr unzufrieden: „Wie kann er hierher jetzt nach 1968 reisen? Wie kann er mit den Funktionären eines Räuberstaates verkehren?“ Vergebens suchten wir solche Maximalisten zu überreden. Für die tapferen, selbstaufopfernden, aber fanatisch einseitigen Besserwisser blieb die Welt zweidimensional. Aber auch wir haben damals kaum begriffen, wie einseitig unsere Beziehungen zu Heinrich Böll waren. Wir luden ihm immer wieder unsere Sorgen, Kummer und Ängste auf. Wie oft hörten wir: „Man muss sofort Böll benachrichtigen: der Sowieso wird bedroht… wurde verhaftet … verurteilt … gefährlich krank.“ Und wir schrieben, telegrafierten, riefen ihn an und dachten dabei kaum darüber nach, wie viele schwere Sorgen er hat, wie er an seiner zunehmenden Krankheit leidet, wie schwer es ihm fällt, seine Arbeit zu unterbrechen.

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Nach 1975 wurde in der Sowjetunion nichts mehr von Bölls Werken publiziert. Seine Hilfe für Solschenizyn, seine Freundschaft mit Sacharow, sein zornig-trauriger Artikel über den mörderischen Anschlag auf Kostja Bogatyrjow, sein Vorwort zu Aufbewahren für alle Zeit und die bitter-ironische Potestnotiz, als man unser Telefon abgeschaltet hatte, seine immer neuen Äußerungen über politische Verfolgungen in der Sowjetunion, in Polen, in der Tschechoslowakei – das alles machte ihn zur persona non grata für unsere ideologischen Instanzen.

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12. November 1980: Frühmorgens fuhren wir noch durch Moskau. In wenigen Stunden vormittags waren wir im Frankfurter Flughafen und fuhren direkt nach Köln. ( … ) Das erste deutsche Haus, das wir betraten, war das Haus in der Hülchrather Straße 7, die Wohnung von Annemarie und Heinrich.

( … )

Bölls tatkräftige Barmherzigkeit ist untrennbar mit seinem poetischen Schaffen und mit seiner Verwurzelung in der russischen Literatur verbunden. ( … ) Für jeden von uns, für jeden, der ihn kennengelernt hat, war er nicht nur eine literarische Autorität, sondern auch ein unverrückbarer, ein moralischer Maßstab, die Verkörperung des reinen Gewissens.


Raissa Orlowa / Lew Kopelew: Wir lebten in Moskau. Albrecht Knaus Verlag,

München und Hamburg 1987


Bücher von Heinrich Böll

Querschnitte

Aus Interviews, Aufsätzen und Reden von Heinrich Böll

Kiepenheuer & Witsch, Köln 1980


Das Heinrich Böll Lesebuch

Herausgegeben von Viktor Böll

dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1983

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